Tretmühle, Die

Text: Erich Kästner

Rumpf vorwärts beugt! Es will dich einer treten!
Und wenn du dich nicht bückst, trifft er den Bauch.
Du sollst nicht fragen, was die andern täten!
Im übrigen: die andern tun es auch.

So bück dich, Mensch! Er tritt ja nicht zum Spaße!
Er wird dafür bezahlt. Es ist ihm ernst.
Tief! Tiefer! Auf die Knie mit deiner Nase!
Das Vaterland erwartet, daß du’s lernst.

Zunächst bist du noch etwas steif im Rücken.
Sei guten Muts! Es ist nicht deine Schuld.
Gib acht, wie prächtig sich die andern bücken!
Das ist nur eine Frage der Geduld.

Und muß so sein. Und ist der Sinn der Erde.
Der eine tritt – wie die Erfahrung lehrt –
Damit ein anderer getreten werde.
Das ist Gesetz. Und gilt auch umgekehrt.

Du sollst für Laut- und Leisetreter beten:
„Gib Himmel, jedem Stiefel seinen Knecht!
Beliefre uns mit Not! Denn Not lehrt treten!“
Wer nicht getreten wird, kommt nie zurecht.

Geh vor den Spiegel! Freu dich an den Farben,
die man dir kunstvoll in die Rippen schlug!
Die Besten waren’s, die an Tritten starben. –
Rumpf vorwärts beugt! Genug ist nicht genug!

 

Text: Erich Kästner
(Melodie: „Frisch auf mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen!“)

Zitiert nach Ernst Busch: Erich Kästner. Lieder, Gedichte, Epigramme. Aurora 5 80 033/34. Hrsg. 1969, Nachauflagen 1972 und 1974.