Diplomaten
Text und Musik: Frank Wedekind
Heut verschonen
Die Kanonen
Die Leichen in der Gruft nicht mehr.
Jawohl, die Zeit ist schwer!
Sag an, wie nennen sich
Die Herrn, die uns das taten?
Diplomaten!
Schwaches Herz und kühne Stirn,
Großes Maul und kleines Hirn!
Wie ein Nadelöhr, so eng
Der Gesichtskreis – Schnedderedeng!
Tut sich friedlich,
Wer nur gütlich,
Schrein sie die Kriegserklärung schon
Ihm zu durchs Telephon.
Die Völker stürzen sich
Dann in die Bajonette
Um die Wette.
Hinten wird mit Tod bedroht,
Was nicht stracks von vorne tot,
Daß, was irgend übrig bleibt,
Kurzerhand sich selbst entleibt.
Dieser Feldzug
Ist kein Schnellzug.
So singt man heut zum Unterschied
Ein längst bekanntes Lied.
Wie lang umdröhnt uns noch
Der Länder Kriegsfanfare?
Dreißig Jahre!
Menschen gibt’s dann nirgends mehr,
Überall nur Militär!
Ach, wie schön ist ’s in der Welt!
Wo man hinspuckt, sitzt ein Held.
Was wir konnten
An vier Fronten,
Das hat, seit sich die Erde sonnt,
Kein Heldenvolk gekonnt.
Der Feind verblutet sich.
Wir haben unterdessen
Nichts zu fressen.
Seit wir auf den Kopf gedrückt,
Ist der Erdball ganz verrückt,
Und am Ende stopft ihn Krupp
In die dicke Berta – Schwupp!
Welch ein Frieden
Uns beschieden,
Steht leider nicht in Gottes Hand,
Es steht bei Engelland.
Die Linke schließt ihn ab.
Wir fingen mit der Rechten
An zu fechten.
Auf, zur Friedenskonferenz!
Auf, zum Sieg des Parlaments!
Ganz Europa wird neutral,
Alles andre ist egal.
Aus den Sternen
Kannst du lernen,
Weswegen hoch am Firmament
Nicht auch noch Krieg entbrennt.
Am Himmel wahren sie
In wechselvollem Reigen
Heil’ges Schweigen.
Noch kein Ohr hat je gehört,
Daß ein Stern den Frieden stört.
Und sobald nur einer schwatzt,
Saust er abwärts und zerplatzt.
Text: Frank Wedekind
Musik: Frank Wedekind
Zitiert nach Ernst Busch: Frank Wedekind – Spottlieder (Aurora 5 80 006/007). Hrsg. 1964, Nachaufl. 1969.