Eine Auswahl rarer Tondokumente auf Schellack, Vinyl und CD
Sein legendäres Comeback-Konzert nach Jahren des Schweigens
Zum 50-jährigen Jubiläum erstmals auf Tonträger (EDEL: KULTUR, VÖ: März 2010)
Gesang: Ernst Busch
Piano: Hanns Eisler, Grigori Schneerson
Texte: u.a. Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht, Johannes R. Becher
Musik: u.a. Hanns Eisler, Paul Dessau
Zwischenrufe: u.a. Helene Weigel
Auszüge aus den Liner Notes
Ost-Berlin, 22. Januar 1960: Der Plenarsaal der Akademie der Künste der DDR ist mit knapp 300 Personen hoffnungslos überfüllt. Ein erlauchter Hörerkreis begrüßt den Star des Abends mit stehenden Ovationen. Vor der Türe Jugendliche, die unbedingt noch hinein wollen. Sie möchten miterleben, wie Nationalpreisträger Ernst Busch seinen 60. Geburtstag zelebriert, möchten hören, was dran ist am legendären Ruf des Sängers, der fast ein Jahrzehnt geschwiegen hat… Busch singt wieder. Ein denkwürdiges Ereignis. Und eine bemerkenswerte Tonaufnahme. Auch weil es sonst keine Live-Mitschnitte von Busch-Konzerten gibt. Da scheint ein alter Kabarettgaul auf der Bühne zu stehen, der es noch mal wissen will. Busch ist gut bei Stimme und gut gelaunt. Und trabt durch das für seine Verhältnisse ausgesprochen heitere Programm mit einer Lockerheit, die den oft sterilen Studioaufnahmen des späten Busch völlig abgeht…
Einige der Anwesenden werden sich noch Jahrzehnte später an subversive Momente dieses Abends erinnern. Zum Beispiel an das ”Seifenlied”, ein Spottlied auf die SPD aus der Weimarer Republik, das plötzlich wie ein Statement zu den politischen Verhältnissen in der DDR klingt: „Wir schlagen Schaum, / wir seifen ein, / wir waschen unsre Hände wieder rein …“ Was ist das für ein Text? „Kälteschock. Die erste Reihe sieht aus wie eine Reihe Eiszapfen. Eisler und Busch tauen immer mehr auf. Busch breitet auffordernd die Arme aus: ’Mitsingen!’ – ’Wir schlagen Schaum, / wir seifen ein, / wir waschen unsre Hände wieder rein …’ Was sollen sie tun? Die Zapfen singen. Sie singen und versuchen, harmlos auszusehen. Busch, der Spanienkämpfer, ihr alter Genosse, er hat sie alle in der Hand, ein Lied lang. Ist das sein Kommentar zum Verhältnis von Politik und Kunst, zum Formalismusstreit in der DDR – sein Kommentar zum Weg der noch jungen DDR überhaupt?“*
Jochen Voit
*Annekathrin Bürger / Kerstin Decker: Der Rest, der bleibt. Erinnerungen an ein unvollkommenes Leben. München 2007, S. 120/121.
Erhältlich ist die CD u.a. im Buchladen der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin.
Es waren meist Lieder mit manifesten politischen Inhalten, die Ernst Busch gesungen hat; mit derartigen Gesängen wird er identifiziert und das zu Recht. Aber er hat auch andere Genres ausprobiert, hat sich an Schlagern versucht, hat internationale Folklore gesungen und Beethoven interpretiert. Die Bandbreite seines sängerischen Schaffens ist dokumentiert auf insgesamt etwa 800 verschiedenen Tonträgern (inklusive Probeplatten) mit mehr als 400 Liedern, die seit 1930 in zahlreichen Ländern in ganz unterschiedlichen Auflagen produziert worden sind. Ein Teil dieser mittlerweile schwer erhältlichen Tondokumente ist als Wiederveröffentlichung auf CD herausgekommen (vgl. das Interview mit Karl-Heinz Ocasek). Alles in allem dürften bis heute knapp eine Million Tonträger von Busch in Umlauf gekommen sein.
Rein technisch gesehen gibt es drei Phasen in Ernst Buschs Lied-Schaffen: die Zeit der 78er, der 45er und der 33er, wobei die letzte Phase, die Zeit der Langspielplatten, für Busch selbst kaum noch relevant war.
Biografisch gesehen lassen sich vier Phasen seines Lied-Schaffens unterscheiden: Platten, die er in der Weimarer Republik aufnahm, Platten aus der Exilzeit, Platten aus der SBZ und jungen DDR (vgl. Lied der Zeit) und schließlich das Spätwerk, das wesentlich aus der Aurora-Serie besteht
Die Aurora-Serie
In den 60er und 70er Jahren verwirklichte Busch ein lange gehegtes Vorhaben und nahm eine Art klingende Geschichtsschreibung aus sozialistischer Sicht im Plattenstudio auf. „Chronik in Liedern, Balladen und Kantaten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ hieß das ehrgeizige Projekt, das ihm die Akademie der Künste der DDR ermöglichte. Das Label, das Busch hierfür erfand, war Aurora. Die Aurora-Hefte waren aufwändig gestaltet, neben Liedtexten waren auch Kritiken, Fotos, Briefe oder Ausschnitte aus Prosa-Arbeiten bekannter Schriftsteller aus der jeweiligen Entstehungszeit der Songs abgedruckt. Um an die zwei 45er Schallplatten zu kommen, die in fast jedem Heft steckten, musste man die letzte Seite aufklappen. Bei den hier abgebildeten Aurora-Mappen funktionierte das allerdings nicht. Sie sind nie in den Handel gekommen. Die „Canciones“ akzeptierte Busch nicht wegen eines Schreibfehlers auf dem Cover (Internationales sollte in der Mitte mit „c“ geschrieben werden), die Brecht-Platten wurden nie fertig, weil Busch mit den Aufnahmen unzufrieden war. Die Spanienlieder markierten den Beginn des Chronik-Projekts, die Brechtlieder das vorläufige Ende. Anschließend widmete sich Busch der „Roten Reihe“, die ebenfalls auf Aurora erschien.
Angaben zur Entstehung der Aurora-Platten macht Hugo Fetting.
Ernst Busch in Spanien
Die Mappe enthält drei Schellacks mit insgesamt sechs Liedern. Ernst Busch nahm sie während des Spanischen Bürgerkriegs 1937 im Odeon-Studio in Barcelona auf. Er publizierte die Lieder der Internationalen Brigaden darüber hinaus auch in Buchform (vgl. den Beitrag zum Spanienliederbuch).
Das Label der Platte enthält einen Hinweis auf eventuelle Nebengeräusche, die durch Bombardements und damit verbundene Stromausfälle während der Aufnahmen verursacht worden seien. Heinrich Mann nannte die Lieder „Brandgesänge, gemacht aus Feuer und Hammerschlag“.
Übernahme der Spanienplatten von Keynote Recordings 1940; Vorworte im Begleitheft von Paul Robeson und Erich Weinert
Ernst Busch in der SBZ/DDR
Album mit fünf Schellacks mit Liedern aus dem Theaterstück von Bertolt Brecht „Die Mutter“
(Lied der Zeit: Eterna 2340-2349)
Ein großer Teil der hier abgebildeten Publikationen stammt aus dem Archiv von Dr. Jürgen Schebera. An dieser Stelle herzlichen Dank für die Unterstützung!
Literatur zum Nachschlagen:
MEYER-RÄHNITZ, BERND: Der phonographische Busch. Eine Discographie seiner Sprach- und Gesangsaufnahmen. Dresden 2005.