An den deutschen Mond (1920)

Text: Kurt Tucholsky; Musik: Hanns Eisler

Guter Mond, du gehst so stille
durch die Abendwolken hin!
Siehst die lange Äppelzille
und die Venuspriesterin.
Siehst Passanten und die Bummler
und die bösen Geldscheinschummler…
Bist das alles schon gewohnt,
guter Mond, guter Mond -!

Segelst langsam ob den Dächern,
siehst in Fenstern der Bureaus,
wo die Akten in den Fächern
flüstern: „Wir sind Justav Nosken los!“
Siehst in Fenster der Kasernen,
wo sie Schwarz-Rot-Gold entfernen…
Bist das alles schon gewohnt,
guter Mond, guter Mond -!

Kugelst dich am Firmamente
über unsre große Stadt,
siehst die dicke, schwere Rente,
die der Erich Ludendorff noch hat.
Siehst auch nächstens, wenn es später,
manche freien Hochverräter…
Bist das alles schon gewohnt,
guter Mond, guter Mond -!

Aber käme plötzlich einmal einer,
der trotz Lärmen, Drohen und Gezisch
schlüge, wie noch bisher leider keiner –
mit der Faust auf unsern grünen Tisch
sagt der: „Militär kann gehen!“
Ei, dann bliebst du sicher stehen!
Denn das bist du nicht gewohnt,
guter Mond, guter Mond -!

Text: Kurt Tucholsky
Musik: Hanns Eisler

 

 

Zitiert nach Ernst Busch: Fromme Gesänge – He! Republik. Hanns Eisler / Kurt Tucholsky. Aurora  5 80 010/011. Hrsg. 1965 (Nachaufl. 1969).